Die 48 Kilometer lange Wanderung auf dem Kjalvegur folgt dem Verlauf eines alten Reitweges durch die isländische Kjölur-Hochebene. Landschaftlich sind die drei bis vier Etappen zwar nicht ganz so spektakulär wie der Laugavegur, dafür ist der Weg aber deutlich weniger stark frequentiert.
Eigentlich wollten wir ja nur eine ganz normale Rundreise machen und Island mit dem Bus auf der Ringstraße bereisen. Das ganze natürlich mit Rucksack und Zelt, denn Island ist ja bekanntlich nicht das billigste Urlaubsland. Während unserer Reisevorbereitungen stießen wir dann auch auf den Laugavegur, Islands bekanntesten Wanderweg, und den Kjalvegur. Da unsere Reise für den Laugavegur noch etwas zu früh im Jahr lag, entschlossen wir uns kurzerhand auf dem Weg von Reykjavík nach Akureyri im Norden einen Zwischenstopp im Hochland Islands einzulegen und dem alten Reitweg Kjalvegur zu folgen. Für uns bedeutete dies nach mehreren Jahren Abstinenz den Wiedereinstieg ins Fernwandern.
Die beste Wanderzeit für den Kjalvegur
Die beste Wanderzeit für den Kjalvegur ist Mitte Juni bis Anfang September. Dann ist auch die Anreise mit dem Bus über die gut ausgebaute Kjölur-Hochlandpiste F35, die ebenso wie alle anderen F-Straßen Islands im Winter komplett gesperrt ist, meist kein Problem.
Die Strecke vom Wasserfall Gullfoss bis Hveravellir, dem nördlichen Endpunkt des Kjalvegur, ist im Sommer ab Anfang Juni oder Juli geöffnet. Genauere Details zum Zustand der Straße findet Ihr bei der Icelandic Road and Coastal Administration. Im Mittel mehrerer Jahre ist die Strecke ab dem 18. Juni befahrbar und dann nehmen auch die Buslinien den Verkehr wieder auf. Anfang September, wenn die ersten Wintereinbrüche drohen, wird der Busverkehr über Kjölur dann wieder eingestellt.
Kjalvegur
Profil
Mit dem Bus von Reykjavik zum Kjalvegur
Der Hochland-Bus von SBA-Nordurleid startet morgens vom BSÍ Bus Terminal in Reykjavik und erreicht die Weggabelung Hvítárnes, den Startpunkt der Wanderung, gegen Mittag.
Auf dem Weg dorthin hält der Bus auch am Geysir Strokkur für rund eine halbe Stunde sowie am Gullfoss-Wasserfall für rund 20 Minuten. Nach rund vier Stunden Reisezeit hält der Bus dann schließlich etwa zwei Kilometer hinter der Brücke über den Gletscherfluss Hvitá direkt am gelben Wegweiser nach Hvítárnes. Von hier aus habt Ihr dann 8,8 Kilometer Fußmarsch bis zur ersten Hütte und dem eigentlichen Beginn des Kjalvegur vor Euch.
Der Weg verläuft entlang der nach Nordwesten führenden Piste. Nach rund sechs Kilometern zweigt dann ein Weg nach links zur schneeweißen Hvítárnes-Hütte mit ihrem weithin sichtbaren roten Dach ab. Die 1930 erbaute, unbewirtschaftete Hütte mit 30 Schlafplätzen und separatem Toilettenhaus liegt auf 425 Metern Höhe am Südufer des Flusses Tjarná. Eine Übernachtung in der ältesten Hütte der Iceland Touring Association kostet pro Person 5500 isländische Kronen (rund 42 Euro), die Übernachtung im Zelt 1800 Kronen (etwa 14 Euro).
Von Hvítárnes nach Þverbrekknamúli
100 Meter vor der Hvítárnes-Hütte beginnt der eigentliche Kjalvegur. Von der Hütte kommend zweigt der Weg links von der Piste Richtung Norden ab. Der alte Reitweg führt zunächst durch sumpfige Wiesen und dann am rechten Ufer des Gletscherflusses Fúlakvísl entlang. Linker Hand habt Ihr dabei einen schönen Blick auf den Langjökull und dessen Gletscherzungen. Mit einer Fläche von rund 953 km² ist der Langjökull (isländisch für „Langer Gletscher“) nach dem Vatnajökull der zweitgrößte Gletscher Islands.
Nachdem der Weg ins trocknere Heideland wechselt, erleichtern diverse Steinwarten die Orientierung. Mit diesen Steinwarten, die im weiteren Verlauf noch häufig zu sehen sind, wurde der Kjalvegur 1897/98 auf Intitiative des dänischen Landvermessers Daniel Bruun hin markiert, um Reisen über das Hochland deutlich sicherer zu machen. Heute kann man sich allerdings kaum noch verlaufen, denn meist weist einem die mehrspurige Pferdeautobahn des Reitweges sicher den Weg.
Im weitere Verlauf entfernt sich der Kjalvegur etwas vom Fluss und führt durch Lavafelder, das Feuchtgebiet Pverbrekknaver und die Tuffstein-Hügel von Hrefnubúðir. Kurz vor dem Ende der 15,8 Kilometer langen Etappe geht es dann wieder an den Fluss. Genauer gesagt: Über den Fluss. Eine mit rund 18 Metern Länge recht imposante Fußgängerbrücke führt hier über eine ebenso imposante Schlucht des Fúlakvísl. Einen Kilometer später ist dann das Etappenziel, die grüne Þverbrekknamúli-Hütte unterhalb des 1410 Meter hohen Tafelvulkans Hrútfell, erreicht. Die Übernachtung kostet hier ebenso viel wie in Hvítárnes, die Hütte für bis zu 20 Personen ist allerdings wesentlich moderner und besser ausgestattet.
Von Þverbrekknamúli nach Þjófadalir
Vor der nächsten Etappe standen bei uns erst einmal kleinere Reparaturarbeiten an. Die Sohle meines Wanderschuhs hatte sich vorne fast komplett gelöst. Mit ein wenig Sekundenkleber-Gel, Gaffa-Tape und einem Kabelbinder ließ sich das Ganze aber zumindest einigermaßen fixieren. Nicht gerade schick, aber es musste ja nur noch zwei Tage halten. Neue Schuhe gab es dann nach der Tour in Akureyri.
Mit frisch reparierten Schuhen ging es dann weiter Richtung Þjófadalir. Wir haben uns dabei für die etwas kürzere, aber deutlich steilere Variante über Múlar entschieden. Normal geht man allerdings zur Brücke zurück und dann weiter am Fúlakvísl entlang. Auf der Múlar-Variante geht es hingegen über karge Lavafelder erst einmal bis auf über 650 Meter hinauf, bis ein steilerer Abstieg den Wanderer über rutschiges Geröll wieder an den Fúlakvísl führt.
Bei der Überquerung des Gletscherflusses hilft eine kleine Fußgängerbrücke. Der Platz ist definitiv eine Rast wert, denn der Fúlakvísl hat hier eine schöne, zum Teil weniger als zwei Meter schmale Schlucht in die Basaltlava gefressen, die sich vor rund 7.800 Jahren aus dem Strýtur Vulkan ergossen und das Kjalhraun-Gebiet überzogen hat.
Anschließend geht es erst einmal wieder einige Kilometer am Fluss entlang, bevor der Kjalvegur nach rechts zum Berg Þjófafell abzweigt. Sobald Ihr dann den Bach Þjófadalaá erreicht, wird die Landschaft wieder etwas grüner. Der Kjalvegur führt nun ins Þjófadalir, das „Tal der Diebe“, in dem sich früher Wegelagerer versteckten. Heute lockt das geschützt gelegene Tal mit dem Ziel der rund 13,6 Kilometer langen Wanderetappe: Der kleinen, gelben Þjófadalir-Hütte inmitten grüner Wiesen. Die gemütliche Unterkunft bietet 12 Personen Platz und hat ein separates Toiletten-Häuschen. Die Übernachtungspreise sind identisch mit denen der Hvítárnes- und Þverbrekknamúli-Hütte.
Von Þjófadalir nach Hveravellir
Die letzten zehn Kilometer des Kjalvegur führen zunächst über den Höhenzug am nordöstlichen Ende des Tals. Hinter dem Pass kreuzt der Weg zwei Mal eine Jeeppiste. Bei schlechtem Wetter kann man dieser Piste bis Hveravellir folgen. Wir halten uns allerdings rechts der Piste und wandern über ein mit Pflöcken markiertes Lavafeld zum Endpunkt des Kjalvegur.
Unser Ziel, das Geothermalgebiet Hveravellir, ist schließlich der Grund, warum wir den Kjalvegur von Süden nach Norden gelaufen sind. Auf diese Weise können wir uns zum Abschluss der Tour bei einem Bad im Thermalquellwasser des Hotpot erholen und uns im kleinen Restaurant der Hütte mit einem Bierchen verwöhnen. Zudem lässt es sich hier deutlich bequemer auf den Bus nach Reykjavik oder Akureyri warten als am südlichen Ende des Wanderwegs.
Hveravellir besteht aus zwei mit Erdwärme beheizten Hütten, die 66 Schlafplätze umfassen, und einem Campingplatz inklusive Dusche. Das Restaurant bietet neben Bier auch kleine Snacks sowie Frühstück für 1800 isländische Kronen (rund 14 Euro) an. Wer lieber selber kocht hat auf dem mit Tischen und Sitzbänken ausgestatteten Campingplatz übrigens keinerlei Probleme beim Geschirrspülen, da ein kleiner Bach mit heißem Thermalwasser das Gelände durchfließt.
Buchtipps
Island: Trekking-Klassiker
von Erik Van de Perre
ISBN 978-3-86686-411-5
Mit einer älteren Ausgabe dieses Wanderführers waren auch wir im Juni 2012 unterwegs, doch für eine Wanderung auf dem Kjalvegur ist ein derartiges Buch nicht zwingend erforderlich. Wenn Ihr aber noch andere Tages- und Mehrtagestouren in Island plant, dann ist dieser 288 Seiten umfassende Wanderführer ein zuverlässiger Wegweiser mit zusätzlichen landeskundlichen Informationen.
Island – Naturparadies am Polarkreis
von Uwe Grunewald
ISBN 978-3-9815254-2-7
Diesen Island-Wanderführer haben wir einige Zeit nach unserer Tour direkt vom Autor erhalten. Uwe Grunewald beschreibt in seinem 216 Seiten starken Buch mehr als 700 Wanderkilometer: Fimmvörðuháls, Laugavegur, Hengill, Hornstrandir, Kerlingarfjöll, Öskjuvegur (Askja-Trail), Mývatn-Dettifoss, Jökulsárgljúfur, Víknaslóðir und natürlich auch den Kjalvegur. Im Gegensatz zu unserer Tour und anderen Büchern beginnt die Beschreibung des Kjalvegur hier allerdings schon südlich des Bláfell an der Brücke Grjótá, so dass man einen Tag länger unterwegs sein kann.
Sehr schön: Das Buch enthält über 400 GPS-Wegpunkte, die auch in den Wegbeschreibungen und Karten verzeichnet sind. Weniger schön: Die Wegpunkte sind nicht als Download verfügbar. Gewöhnungsbedürftig fand ich zudem, dass die topografischen und im Vergleich zum Wanderführer aus dem Conrad Stein Verlag deutlich aussagekräftigeren Wanderkarten (Maßstab 1:100.000 und 1:50.000) stets über Nummern und nicht über die jeweilige Seitenzahl referenziert werden. Insgesamt weiß aber auch dieser Wanderführer sehr zu gefallen – vielleicht sollten wird doch noch einmal in Island wandern …
Hey Stefan,
die Tour klingt gar nicht unspannender als der Laugavegur. Danke für den schönen Bericht und die vielen nützlichen Infos!!
Deine Schuhreparatur sieht übrigens echt professionell aus 🙂 Das Tape ist eine Wunderwaffe und darf einfach bei keiner Wanderung fehlen.
Liebe Grüße,
Nicole
Naja, die Reparatur hat gerade so bis Akureyri gehalten, wo es dann ein Paar neue Schuhe gabe 😉
Ich sehe es schon kommen – ich werde wohl noch ein drittes Mal nach Island fahren 🙂
Danke für den Bericht, der Kjalvegur muss einfach irgendwann noch sein. Meine Meindl hat es auf meiner letzten Island-Tour auch an den Sohlen aufgelöst. Zum Glück bin ich aber noch damit zurückgekommen und Dank neuer Sohlen kann ich die Schuhe noch ein paar weitere Touren nutzen.
Ich bin den Kjalvegur im Juli 2017 gelaufen, bei schönstem Wetter und mit nur wenigen Mitwanderern. Die Hüttenwaren sauber, alles in bester Ordnung, wie auch auf den Zeltplätzen im Landesinneren. Leider sieht es in den Städten mittlerweile ganz anders aus. 2,3 Mio. Touristen 2017 gehen an die Substanz. Und eben auch an die Relation zwischen Qualität und Preis (AIRBNB). Den Unterschied zwischen meiner ersten Island-Tour 2012, einem einwöchigen Dienstaufenthalt 2013 und eben 2017 merkte man leider sehr deutlich.
Fazit: So sehr ich Land und Leute liebe, vorläufig fahre ich nicht noch mal.
Da hat sich in den vergangenen Jahren sicher viel getan. Seit 2010 hat sich die Zahl der Island-Touristen mehr als vervierfacht und immer mehr Leute fragen sich inzwischen: Wie viele Touristen erträgt Island?
Hallo Stefan, vielen Dank für den tollen und hilfreichen Bericht! Ich möchte die Route Ende August laufen und bin auf der Suche nach dem GPS-Track. Gibt es eine Möglichkeit, den aus der Karte in deinem Bericht herunterzuladen, die ich übersehe? Ansonsten baue ich ihn mir selbst zusammen, aber praktisch wäre es schon. Nochmal danke für die insgesamt sehr schöne und informative Seite, die ich sicher noch häufiger besuchen werde! Viele Grüße, Florian
Hallo Florian, die entsprechenden Daten müsstest Du inzwischen per Email erhalten haben. Viel Spaß in Island, Stefan
Hi Stefan,
wie sieht es auf dem Trek mit Trinkwasser aus ? Kann ich an den Hütten auftanken?
Danke für deinen Bericht!
Hallo Andi,
Wasser war bei unserer Tour auf dem Kjalvegur (Juni/Juli) kein Problem. Zoom mal in die Karte hinein, dann wirst Du erkennen, dass überall – und auch an den Hütten – für Trinkwasser gesorgt ist. Ein Leser hat mich allerdings darauf hingewiesen, dass mit dem Fortschreiten des Sommers das Wasser durchaus weniger wird. Dann kann es wohl auch vorkommen, dass es an den Hütten kein Wasser mehr gibt und man ein paar hundert Meter laufen muss, um die nächste Wasserstelle zu finden. Viel Spaß beim Nachwandern!
(Kommentar nach Leserhinweis aktualisiert)
Tolle Information Danke.
Ich möchte im Juli nach Island fliegen und habe vor mit dem Bus von der Reykjavik zu der Weggabelung Hvítárnes zu fahren und dort mit der Wanderung zu starten.
Muss man allgemein wenn man mit dem Bus fährt vorher reservieren? Oder nehmen die einen auch so mit?
Danke für den tollen Bericht
Hallo Nadine,
wir haben unser Ticket damals einfach direkt vor Abfahrt gekauft, aber seit dem ist der Tourismus auf Island ja doch ein wenig explodiert. Insofern: Ich kann’s dir echt nicht sagen …
LG Stefan