Zwischen Twin Lakes und Salida gibt es auf dem 782 Kilometer langen Colorado Trail zwei Wegvarianten durch die Collegiate Peaks Wilderness der Rocky Mountains. Wir verlassen die kontinentale Wasserscheide und wandern auf der klassischen Collegiate East Route weiter, die fantastische Ausblicke auf das Arkansas Valley garantiert.
Die ehemalige Minenarbeiter-Siedlung Twin Lakes ist wirklich ein kultiger Zwischenstopp auf dem Colorado Trail. Dreh- und Angelpunkt des kleinen Ortes ist der General Store. Hier treffen sich alle Thru-Hiker, die auf dem Colorado Trail oder Continental Divide Trail unterwegs sind. Viele holen hier ihre per Mail-Drop hinterlegten Lebensmittelpakete ab, andere stocken im durchaus gut sortierten Store ihre Proviantvorräte auf, und fast jeder setzt sich auf ein Bierchen vor den Laden, plaudert mit anderen Wanderern und lädt sein Smartphone auf.
Eine weitere Attraktion des Ortes sorgt dafür, dass man an der Durchgangsstraße, dem Colorado Highway 82, stressfrei umherlaufen kann: Der Streifenwagen schräg gegenüber vom General Store. Hinter dem Steuer des täuschend echten, aber schrottreifen Polizeiautos sitzt natürlich kein Cop sondern nur eine Schaufensterpuppe. Wahrscheinlich hat der Ort schon seit Jahren keinen echten Polizisten gesehen, aber die Attrappe als letzter Außenposten von Recht und Ordnung zeigt durchaus ihre Wirkung.
Von Twin Lakes bis zum US Highway 50 wandern
Twin Lakes bis Salida
Profil
In unserer Unterkunft, dem The Twin Lakes Inn, haben wir für den letzten Morgen ein Hiker-Breakfast bestellt, um früher los wandern zu können. Als wir gegen halb sieben aufbrechen hängt das Tal noch voller Wolken und es regnet auch ein wenig. Am Highway entlang marschieren wir rund eineinhalb Meilen (2,4 km) hinauf zum Colorado Trail, der hier die Straße per Tunnel quert. Der Regen hat inzwischen aufgehört und wir genießen den kühlen Morgen auf dem nun folgenden, schattenlosen Stück rund um den See.
Am gegenüber liegenden Ufer entdecken wir auch das alte Interlaken Hotel aus dem Jahre 1879. Das Nobel-Resort war seinerzeit sehr beliebt bei Erholung suchenden Sommergästen, doch mit dem Bau des Staudamms blieben die Gäste aus und über die Jahre verfielen einige der Gebäude. Wer auf dem Colorado Trail die Collegiate West Route wählt, der kommt übrigens direkt an diesem Gebäudedenkmal vorbei und kann sich das 1979 durch Restaurationsarbeiten stabilisierte Ensemble aus der Nähe anschauen.
Wir hingegen umrunden den See und biegen knapp eine Meile vor dem alten Hotelkomplex auf die Collegiate East Route ab, die klassische Variante des Colorado Trail. Nach den flachen Passagen am See, steigt der Weg nun steil an, durchquert einen schönen Espen-Wald und verliert später erneut an Höhe. Zwischen uns und unserem Tagesziel liegt nun nur noch ein letzter Anstieg und der Abstieg ins Tal des Clear Creek.
Kurz bevor wir die Clear Creek Road und damit auch den Trailhead zum zwölften Segment des Colorado Trail passieren, finden wir am Wegesrand noch eine gut gefüllte Kühlbox: Trail Magic! Uns was für eins: Softdrinks, Craft-Beer und sogar ein Schnäppschen hat hier jemand für müde Wanderer bereit gestellt! Klasse, denn nun können wir sogar noch mit einem Zimt-Whiskey aus Colorado auf unseren Hochzeitstag anstoßen.
Durch die Collegiate Peaks
Am nächsten Tag steht ein echtes Höhentraining für „Bauch, Beine, Po“ an. Von der Brücke über den Clear Creek wandern wir durch Nadel- und Espen-Wälder der Collegiate Peaks Wilderness Area rund 850 Höhenmeter hinauf zum Ridge am Waverly Mountain auf einer Höhe von 3.552 Metern. Hoch oben angekommen wird der Wanderer allerdings nicht etwa mit einer tollen Aussicht belohnt, sondern mit einem prompten Abstieg des Colorado Trail ins fast 400 Meter tiefer gelegene Tal des Pine Creek.
Im Tal angekommen machen wir eine kurze Pause und klären das weitere Vorgehen: Zelt aufbauen oder weiterwandern? Platt genug, um den Tag zu beenden, wären wir durchaus schon, aber es ist doch gerade mal elf Uhr! Wir nehmen also den nächsten Aufstieg in Angriff: Diesmal geht es zum gut 400 Meter höher gelegenen Ridge am Mount Harvard auf rund 3.610 Metern. Hier werden wir dann auch mit einer schönen Aussicht belohnt und linker Hand, tief unten in der weiten Ebene erkennen wir sogar die Kleinstadt Buena Vista, in der einige Wanderer des Colorado Trail ihre Lebensmittelvorräte aufstocken.
Vom höchsten Punkt des Tages aus laufen wir noch ein ganzes Stück auf einer Höhe von um die 3.500 Metern. Erst kurz vor dem Tagesziel, der Brücke über den Frenchman Creek, verlieren wir deutlich an Höhe. Von der Brücke über den rauschenden Wildbach ist zwar nicht mehr viel übrig, aber auf den zwei verbliebenen, wackligen Stämmen gelangen wir auch diesmal trockenen Fußes ans andere Ufer. Dort stellen wir unser Zelt auf und lassen den Tag mit einer Doppelration Ramen-Nudelsuppe ausklingen.
Zwangspause im Gewitter
Vom Frenchman Creek wandern wir am nächsten Morgen weiter Richtung Silver Creek Trailhead. Der Weg ist relativ entspannend, meist geht es leicht abwärts und nur am Ridge unterhalb des Mount Columbia gibt es einen kleinen Anstieg. Bei den wunderschön gelegenen und in der Morgensonne dampfenden Havard Lakes verlassen wir die Collegiate Peak Wilderness Area zunächst wieder. Die letzten Meter vor dem Silver Creek Trailhead, der den Beginn des 13. Segments auf dem Colorado Trail markiert, geht es dann noch einmal etwas steiler abwärts.
Am Trailhead angekommen, machen wir eine kleine Pause und brechen dann zum zweiten Teil unserer heutigen Etappe auf. Auf nochmals 6,7 Meilen (10,8 km) müssen wir nun rund 850 Meter zum Sattel am East Ridge des Mount Yale aufsteigen und dann auf der anderen Seite das gleiche wieder hinabsteigen zum Middle Cottonwood Creek – so weit die Theorie.
In der Praxis schaffen wir gerade mal gut die Hälfte des Aufstiegs, bis es oben am 3.624 m hoch gelegenen Sattel ziemlich dunkel wird und mehrmals Gewittergrollen zu hören ist. Wir brechen ab, steigen wieder ein Stück hinab und bauen unser Zelt auf. Als wir im Zelt liegend gerade unsere Goodies (Beef Jerky, Trail-Mix und M&Ms) vernascht haben, hat sich das kleine Gewitter wieder verzogen und oben am Sattel ist sogar ein kleiner Fetzen blauer Himmel zu sehen.
Da es gerade mal kurz nach zwölf Uhr ist, packen wir kurzerhand alles wieder ein und setzen den Aufstieg fort. Das Blau am Himmel ist schon bald wieder verschwunden, aber immerhin schaffen wir es ohne weiteres Donnern bei leichtem Nieselregen durch die Collegiate Wilderness Area hinauf. Die Aussicht ist natürlich dementsprechend bescheiden, aber zumindest können wir erahnen, wie majestätisch der entfernt zu sehende Mount Princeton bei gutem Wetter wirken muss.
Am Sattel halten wir uns angesichts des Wetters nicht all zu lange auf und beginnen stattdessen gleich mit dem steilen Abstieg des Colorado Trail zum gut 800 Meter tiefer gelegenen Avalanche Trailhead. Kurz hinter dem Trailhead schlagen wir schließlich am Middle Cottonwood Creek erneut unser Zelt auf, filtern Wasser für den morgigen Tag und gönnen uns noch ein gefriergetrocknetes Trekking-Essen: süß-saures Schwein mit Reis!
Auf nach Princeton Hot Springs
Am Abend hat es zu regnen begonnen und morgens um kurz nach fünf sieht es leider nicht viel besser aus. Ja, es gibt Tage, da bleibt man besser im Bett. Und genau das tun wir. Gegen elf Uhr lässt der Regen allerdings nach und so beschließen wir, doch noch weiter zu wandern. Der Weg führt uns zunächst in südöstlicher Richtung aus dem Tal hinaus. Nach knapp drei Meilen (4,8 km) beginnt der mit 300 Höhenmetern einzige nennenswerte Anstieg des heutigen Tages. Und was steht am Beginn des Anstiegs? Eine Kühlbox – Trail Magic! Die kleine Aufmunterung können wir gut gebrauchen und so gönnen wir uns eine Coke und ein Mini-Snickers.
Frisch gestärkt bereitet uns der Anstieg zum Sattel am Bald Mountain dann auch keinerlei Probleme. Allerdings fängt es nun wieder zu regnen an und so geht es mit Goretex-Jacke und Regenrock weiter entlang der Hangkante. Nach gut neun Meilen (14,5 km) gelangen wir am Dry Creek an die letzte Campsite vor dem weitere sieben Meilen (11,3 km) entfernten Trailhead. Wir entschließen uns, weiter zu wandern, denn zweieinhalb Meilen vor dem Trailhead lockt das Princeton Hot Springs Mountain Resort mit einem warmen Zimmer, einer heißen Dusche und gutem Essen.
Der Weg dorthin entpuppt sich als das bislang schlimmste Stück des Colorado Trail. Gut drei Meilen vor dem Resort mündet der Weg in eine Forststraße, die schon nicht gerade schön ist. Die letzten zwei Meilen geht es dann sogar auf einer asphaltierten und am Wochenende auch recht stark befahrenen Straße ohne Seitenstreifen weiter. Um ganz ehrlich zu sein: die Kulisse mit den fantastischen Kalkfelsen rund um Princeton Hot Springs passt ja, aber dieses Stück „Trail“ ist eine echte Schande für den Colorado Trail.
Und um die Stimmung ganz auf dem Nullpunkt ankommen zu lassen, sagt uns die Dame an der Rezeption des Resorts dann auch noch, dass sie leider kein Zimmer mehr frei hat. Na prima. Selbst ein Bier und ein Sandwich aus dem Shop des Resorts sorgen nun kaum noch für bessere Stimmung. Und wie der weitere Weg zum Trailhead und der dortigen Campsite aussieht, darf ich natürlich auch nicht verschweigen: asphaltierte Straße und Schotterpiste. Ja, es gibt wirklich Tage, da bleibt man besser im Bett. Warum sind wir nur nicht liegen geblieben?
Mit „Gummi Bear“ nach Salida
Am Chalk Creek Trailhead beginnt das gut 20 Meilen lange Segment 14 des Colorado Trail. 20 Meilen sind uns zu viel für einen Tag und so können wir es am nächsten Tag recht entspannt angehen lassen. Vom Trailhead aus geht es zunächst knapp 300 Höhenmeter steil bergauf. Oben angekommen, genießen wir den Blick zurück auf den Mount Princeton. Am Eddy Creek füllen wir nochmals unsere Trinkwasservorräte auf und anschließend führt uns der Weg leicht abfallend durch lichte Nadelwälder gen Süden.
Hinter der Raspberry Gulch Road steigt der Colorado Trail noch einmal um rund 300 Höhenmeter an. Der Nadelwald wird nun etwas dichter und wechselt sich ab und an mit kleinen Espen-Wäldern ab. Nach zehn Meilen (16,1 km) queren wir den Sand Creek und nehmen den letzten Anstieg des Tages in Angriff. Rundum wird der Himmel immer dunkler und so sind wir froh, nach einem kurzen Abstieg, den Squaw Creek zu erreichen. Ein paar Meter hinter dem kleinen Fluss finden wir schließlich ein halbwegs ebenes Plätzchen für unser Zelt, das wir gerade noch vor dem ersten Regen aufgebaut bekommen.
Am letzten Tag unserer Wanderung von Twin Lakes nach Salida geht es abwärts mit uns. Zumindest überwiegend. Der Colorado Trail verliert auf seinem Weg durch Weideland zunächst recht gemächlich an Höhe und hier und da erhaschen wir bereits einen Blick auf das, was uns nach unserem Zwischenstopp in Salida erwartet, denn Richtung Süden ist bereits der Mount Ouray (4.255 m) zu sehen.
Nach einem etwas steileren Abstieg, erreichen wir den Angel of Shavano Trailhead und überqueren den North Fork des Arkansas River. Wenige Meter weiter gelangen wir zum einzigen nennenswerten Aufstieg des heutigen Tages. In langgezogenen Serpentinen wandern wir noch einmal rund 200 Höhenmeter hinauf. Oben angekommen folgt ein Wegstück des Colorado Trail, in dem offensichtlich größere Baumfällarbeiten stattgefunden haben, und schließlich passieren wir einige Stromleitungen und sehen weit unter uns den US Highway 50, der sich hier durch die Berge windet.
Am Highway und dem dortigen Trailhead endet unsere Wanderung. Auf dem kleinen Parkplatz packen wir unsere Trekking-Stöcke zusammen, sorgen für ein halbwegs passables Aussehen und halten schließlich den Daumen in den Wind. Nach knapp einer Viertelstunde hält schließlich ein Wagen, ein Hiker wird abgeladen und wir steigen zu. Am Steuer sitzt Trail Angel Bernard Wolf (Gummi Bear), der Zack, einen Wanderer aus Neuseeland, in Lake City abgeholt hat und diesen nun nach Denver bringt. Auf der fünfstündigen Fahrt sammeln die beiden natürlich auch noch andere CT-Hiker ein und so bringen uns die beiden direkt bis zum Hostel im 13 Meilen entfernten Salida. Derartige Freundschaftsdienste wildfremder Menschen sind wirklich irre und Zack hat schon recht: „Colorado is a unique place with special people!“
Kleine Trail-Statistik: insgesamt haben wir in den sechs Tagen auf den Segmenten elf bis 14 des Colorado Trail 125 Kilometer zurückgelegt und 4.610 Höhenmeter im Aufstieg sowie 4.700 Höhenmeter in Abstieg bewältigt. Im Durchschnitt macht dies pro Tag 20,8 Kilometer mit 768 Höhenmetern im Aufstieg und 783 Höhenmetern im Abstieg.
Colorado Trail
Der Colorado Trail ist ein 782 Kilometer langer Weitwanderweg in den USA. Auf Höhen zwischen 3.000 und 4.000 Metern führt er vom Waterton Canyon bei Denver durch die Rocky Mountains bis Durango und nutzt dabei zum Teil die gleichen Wege wie der Continental Divide Trail.
Der Colorado Trail ist in 28 Segmente unterteilt, deren Anfangs- und Endpunkte per Auto erreichbar sind. Komplett begehbar ist der Colorado Trail meist ab Anfang Juli bis Ende September. Zwischen Twin Lakes und dem South Fooses Ridge existieren zwei alternative Routen, die klassische Collegiate East und die spektakulärere Collegiate West Variante. Mountainbiker dürfen den Wanderweg ebenfalls nutzen, müssen die geschützen Wilderness Areas allerdings umfahren.
Von Deutschland aus erfolgt die Anreise am einfachsten über den internationalen Flughafen Denver (DEN). Ein Nonstop-Flug ab Frankfurt dauert dabei rund zehn Stunden. Aufgrund einer leichteren Akklimatisierung laufen die meisten Wanderer von Norden nach Süden. Die Anreise zum Wegbeginn am Waterton Canyon bei Denver erfolgt dabei mit der Regional Transportation District (RTD), die einen zum Mineral Park 'n' Ride bringt. Für die letzten zehn Meilen zum Waterton Canyon Trailhead nutzt man dann meist ein Taxi oder einen Wagen von Uber.
Buchtipp

The Colorado Trail Guidebook
von The Colorado Trail Foundation
ISBN 978-1-937052-89-8
Zur Vorbereitung auf den Colorado Trail empfiehlt sich das hervorragend aufbereitete Guidebook der Colorado Trail Foundation. Es bietet ausführliche Informationen zum Wandern, Reiten oder Biken auf dem Colorado Trail, beschreibt etwaige Probleme bei der Trinkwasser- oder Lebensmittel-Versorgung und geht auch auf Gefahren wie Gewitter oder Schwarzbären ein. Den Hauptteil macht allerdings die Beschreibung der 28 Segmente des Colorado Trails sowie der Collegiate West Route aus. Jedes Trail-Segment und dessen Besonderheiten sind dabei ausführlich beschrieben, Highlights schön bebildert und doppelseitige topographische Karten mit wichtigen Wegpunkten nebst GPS-Daten erleichtern die Planung der eigenen Wanderung.
Zusätzlich zum Guidebook ist das sehr kompakte The Colorado Trail Databook (ISBN 978-1-937052-72-0) erhältlich. Im Gegensatz zum umfangreicheren Guidebook listet das Databook lediglich alle Resupply-Optionen zum Nachkaufen von Lebensmitteln und alle wichtigen Wegpunkte der jeweiligen Trail-Segmente nebst Kilometrierung und Wegskizze. Für die Wanderung selbst reicht dieses Databook meist vollkommen aus.
Wanderberichte zum Colorado Trail
Linktipp
- coloradotrail.org – The Colorado Trail Foundation
- pmags.com – End-to-End-Guide von Paul Magnanti
- bearcreeksurvey.com – Waypoints im GPX-Format
- faroutguides.com – The Colorado Trail Hiker Smartphone-App
- wegalsziel.at – Wanderbericht von Dominik Schwarz (2022)