In den Mittelvogesen ändert sich allmählich der Charakter der Landschaft. Die Felsen entlang der Fernwanderwege GR 53 und GR 5 werden dunkler und die Wälder noch ausgedehnter. Auch die Berge verdienen nun wirklich diese Bezeichnung: Der Rocher de Mutzig und der sagenumwobene Donon überschreiten sogar die 1000-Meter-Marke.
Die Mittelvogesen sind nach unserer fünftägigen Wanderung durch die Nordvogesen das nächste Ziel auf der Grande Traversée des Vosges. Unsere Wanderung führt uns dabei auf den Fernwanderwegen GR 53 und GR 5 von Saverne durch das Elsass bis nach Châtenois. Unterwegs besuchen wir malerische Weindörfer, imposante Burgruinen und geschichtsträchtige Orte wie das ehemalige Konzentrationslager Natzweiler-Struthof.
Die Hauptroute der Vogesen-Durchquerung, die Fernwanderwege GR 53 und GR 5, nutzen wir in den Mittelvogesen nur als grobe Leitlinie. Hier und da wechseln wir auf andere GR-Wanderwege oder den HexaTrek. Auf diese Weise ersparen wir uns den ein oder anderen Abstieg in die Rheinebene und umgehen den Champ de Feu, denn Skigebiete haben uns als Wanderer nur selten begeistern können. Aber genug geredet: Los geht’s mit unserer Wanderung durch die Mittelvogesen!
Schöne Pfade, nasse Füße – Wandern in den Mittelvogesen (GR 53)
Ab Saverne folgen wir weiter dem GR 53, um in die urwüchsigen Wälder der Mittelvogesen einzutauchen. Durch bewohntes Gebiet geht es zunächst am Campingplatz Les Portes d’Alsace vorbei und dann stetig bergauf bis zum Waldrand. Hier verlässt der GR 53 die Straße und schlängelt sich den Hang hinauf. Leider spielt das Wetter nur bis zur Stadtgrenze mit. Unser Aufstieg zur mächtigen Burgruine Haut-Barr erfolgt bereits im strömenden Regen.
Château du Haut-Barr – Das „Auge des Elsass“
Das 1170 erbaute Château du Haut-Barr thront auf drei mächtigen Sandsteinfelsen. Die Bischöfe von Straßburg errichteten diese Anlage, um das Zorntal und die elsässische Ebene zu überwachen. Vom „Auge des Elsass“ aus kann man bei klarem Wetter sogar den Turm des Straßburger Münsters sehen. Dieser Blick bleibt uns jedoch wegen der dichten Nebelschwaden verwehrt.
Bei schönem Wetter bietet sich eine ausgiebige Besichtigung der Anlage an. Die Felsspitzen erreicht ihr über Treppen und zwei der Felsen sind in luftiger Höhe durch eine Brücke miteinander verbunden. Der Bau der „Pont du Diable“ war wohl so kompliziert, dass der Bischof den Teufel bat, sie im Tausch gegen die Seele des ersten Menschen zu bauen, der sie überquert. Ebenfalls empfehlenswert: ein Abstecher zu den Ruinen Grand- und Petit-Geroldseck.
Nach einer kurzen Verschnaufpause auf der Burg geht es für uns jedoch weiter Richtung Süden. Es regnet in Strömen als wir auf schönen Pfaden zum Plateau am Brotschberg (536 m ü. NHN) aufsteigen. Neben dem 23 Meter hohen Aussichtsturm des Vogesenclubs stellen wir uns in einer Schutzhütte kurz unter, bevor wir durch herrliche Mischwälder weiterwandern.
Cuve de Pierre – Geheimnisvoller Steintrog
Vorbei am Rocher du Brotsch erreichen wir mitten im Wald die mysteriöse Cuve de Pierre. Der Ursprung dieses überdimensionalen Steintrogs verliert sich im Dunkel der Geschichte. War es ein keltisches Wasserreservoir? Ein Rastplatz für Ross und Reiter? Oder ließ sich hier eine mittelalterliche Auftragsarbeit einfach nicht abtransportieren?
Am Haberacker zeigen sich die ersten Sonnenstrahlen und über breitere Forstwege erreichen wir die Brücke am Baerenbach. Der nun folgende Aufstieg nach La Hoube hat es durchaus in sich und führt zunächst über mehrere Stufen, dann über einen mit Findlingen gepflasterten Pfad hinauf in das kleine Dörfchen, das auf einem Bergsporn hoch über dem Tal thront.
Rocher de Dabo – Der Dagsburger Felsen
Zwei Kilometer weiter öffnet sich der Blick auf den markanten Rocher de Dabo. Der rosa farbene Sandsteinfelsen bietet ein spektakuläres 360-Grad-Panorama und war ursprünglich eine keltische Kultstätte. Im Mittelalter stand hier eine mächtige Burg, und die im Jahr 1889 errichtete neoromanische Chapelle St. Léon ist dem aus der Region stammenden Papst Leo IX. gewidmet.
Am Schlosskopf vorbei geht es für uns zum Col de la Schleif (689 m ü. NHN), wo sich eine Schutzhütte mit Wasserstelle befindet. Doch in der Abri de la Schleif stinkt es fürchterlich und die Inneneinrichtung ist dem Vandalismus zum Opfer gefallen. So steigen wir weiter nach Wangenbourg-Engenthal ab, füllen im Dorfladen noch einmal unsere Vorräte auf und schlagen schließlich nach gut 26 Kilometern unser Zelt auf dem Campingplatz les Huttes auf.
Wilde Wege zum Mutzigfels – Wandern in den Mittelvogesen (GR 53 / GR 532)
Da unsere Vorräte nun wieder für ein paar Tage reichen, sparen wir uns den Weg über den Schneeberg und den Abstieg nach Urmatt. Stattdessen wandern wir im Morgenregen über den Col des Pandeurs und den Fernwanderweg GR 532 direkt zur Maison Forestière du Nideck.
Von hier aus sind es nur noch wenige Meter bis zum Château du Nideck über dem malerischen Bruchetal. Wir entscheiden uns aufgrund des schlechten Wetterberichts gegen den steilen und teilweise mit Treppen versehenen Weg zum Nideck-Wasserfall. Stattdessen folgen wir weiter dem GR 532, der uns über Gensbourgh an den Fuß des Wildbergs führt.
Über den Col du Wildberg und einige namenlose Waldwege am Petit Katzenberg erreichen wir schließlich die Porte de Pierre (856 m ü. NHN). Das Doppeltor aus rosa Buntsandstein wirkt wie ein natürlicher Triumphbogen und markiert den Beginn des Schlussanstiegs zum Rocher de Mutzig. Diesen nehmen wir nach einer kurzen Pause dann auch gleich in Angriff.
Rocher de Mutzig – Biwak auf 1.000 m ü. NHN
Auf einem relativ breiten Weg geht es noch ein Stück nach Westen bis wir scharf nach links abbiegen. Nun wird es noch einmal etwas steiler, bis wir das zerklüftete und recht kahle Gipfelplateau des Rocher de Mutzig (1009 m ü. NHN) erreichen, auf dem Ende der 90er Jahre Orkan Lothar mit voller Wucht gewütet hat. Der Aussicht hat das aber keinen Abbruch getan!
Der phänomenale Blick über das Vallée de la Bruche reicht von den Nachbargipfeln Narion (999 m), Noll (990 m) und Grossmann (986 m) bis zum Doppelgipfel des Donon (1009 m) und der Hochebene des Champ du Feu (1099 m). Ganz alleine sind wir hier auch nicht. Zwischen den Aussichtspunkten haben bereits andere Wanderer ihre Zelte aufgeschlagen.
Da sich das Wetter aber zusehends verschlechtert, suchen wir uns aber lieber ein windgeschützteres Plätzchen für unser Biwak. Nach rund 1100 Höhenmetern Aufstieg schlagen wir unser Zelt schließlich auf der Nordwestseite des Gipfelbereichs auf und stellen uns auf eine kühle und regenreiche Nacht ein.
Tempelbesuch im Regen – Wandern in den Mittelvogesen (GR 53 / GR 5)
Wir schlafen ganz gut, bleiben zum Frühstück aber lieber im Zelt: Es regnet! Und: Es wird heute noch länger regnen. Aber irgendwann hilft alles nichts mehr. Schließlich müssen wir raus und unser nasses Zelt endlich einpacken. Mit Regenrock bewaffnet machen wir uns dann auf den Weg zum Donon.
Nach einem kurzen Abstieg zur Baraque des Juifs, die sich bei noch schlechterem Wetter ebenfalls für ein Biwak nutzen lässt, wandern wir auf breiteren Forstwegen zügig zur Baraque Carrée (746 m ü. NHN). Am Col de l’Engin treffen wir schließlich auf den GR 5, der uns von nun an begleitet. Die Markierung ändert sich aber nicht: Wir folgen weiterhin dem roten Rechteck.
Der erste, noch mäßig steile Teil des Aufstiegs zum Donon erfolgt auf breiteren Forstwegen und endet an der Abri du col entre les 2 Donons (823 m ü. NHN). Kurz darauf gelangen wir auf einen schmalen, deutlich steileren Pfad, der uns aus nordöstlicher Richtung auf das felsige Gipfelplateau führt.
Grand Donon – Kultstätte der Kelten & Römer
Der Grand Donon (1009 m ü. NHN) diente bereits den Kelten als religiöse Kultstätte für den Hirschgott Cemunos. Später errichteten die Römer hier einen dem Handelsgott Mercurius geweihten Tempel. Der neoklassizistische Tempel auf dem Gipfel wurde allerdings erst 1869 anlässlich eines Besuchs des französischen Kaisers Napoléon III. errichtet.
Von der antiken Pracht ist im zerklüfteten Gipfelbereich nicht mehr viel zu sehen. Immerhin lassen sich noch die Grundrisse dreier Tempel erkennen. Bei den römischen Votivstelen am „Chemin des Sarrasins“ handelt es sich aber um Kopien. Die Originale befinden sich im Musée départemental d’Art ancien et contemporain in Épinal und im Musée archéologique in Strasbourg.
Von der spektakulären Aussicht, die bei klarem Wetter bis zu den Alpen reicht, kriegen wir heute natürlich gar nichts mit. Deshalb machen wir uns auch wieder auf den Weg und laufen über die „Escalier de l’Empéreur“ hinab zur Plateforme du Donon. Reichlich durchgefroren kehren wir dort erst einmal auf einen heißen Kaffee ein, bevor wir uns auf den Weg nach Schirmeck machen.
In Schirmeck stürmen wir den großen Supermarkt, genießen eine Riesenportion Quiche und füllen unsere Rucksäcke für die nächsten Tage. Auch wenn der Regen endlich nachgelassen hat, wollen wir uns heute eine feste Unterkunft suchen. Dank der Touristeninformation finden wir schließlich nach gut 24 Kilometern eine Ferienwohnung in Rothau. Jetzt heißt es nur noch: heiß duschen und das tropfnasse Zelt zum Trocknen aufhängen.
Innehalten und durchatmen – Wandern in den Mittelvogesen (GR 5 / HexaTrek)
Heute steht ein deutlich kürzerer Wandertag auf dem Programm, denn unterwegs wollen wir das KZ Natzweiler-Struthof besichtigen. Am Bahnhof von Rothau kamen damals Deportierte aus über 30 Nationen an. Ihr Weg zum „Straf- und Arbeitslager“ hinauf führte fast direkt an unserer Unterkunft vorbei. Und so folgen auch wir zunächst dem Chemin des déportés.
Nach gut 400 Höhenmetern erreichen wir die ehemalige Gaskammer des Konzentrationslagers, die im Rahmen der medizinischen Experimente der NS-Ärzte unterhalb des Lagers errichtet wurde. Wenige Meter weiter gelangen wir auf einer Höhe von rund 800 Metern schließlich zum Centre Européen du Résistant Déporté, wo wir zunächst die Dauerausstellung besichtigen.
KZ Natzweiler-Struthof – Gedenkstätte und Gräberfeld im Elsass
Durch das Lagertor gelangen wir zu den Baracken des Konzentrationslagers. 52.000 Gefangene leisteten hier und in den angeschlossenen Außenlagern Zwangsarbeit. 22.000 starben – meist an Hunger und Erschöpfung. Vorbei an Appellplatz und Galgen geht es dann in die „Todesschlucht“, den unteren Teil des Lagers. Hier befinden sich das Krematorium und der Zellenblock, in dem noch ein Prügelbock steht. Abschließend besichtigen wir die mächtige Gedenkflamme und das Gräberfeld im oberen Teil des Geländes.
Wir erfahren, dass Natzweiler ein zentraler Ort für die Umsetzung des Nacht-und-Nebel-Erlasses war, durch den Widerstandskämpfer und andere „unerwünschte“ Personen spurlos verschwinden sollten. Und, dass die Lebensbedingungen in diesem Lager aufgrund der extremen klimatischen Bedingungen noch härter waren als in anderen Konzentrationslagern.
Die düsteren Gedanken an die NS-Zeit begleiten uns noch eine ganze Weile. Kurz nach dem Champ du Messin verlassen wir dann die Hauptroute der Vogesen-Durchquerung (GR 5), gehen nicht weiter Richtung Skigebiet Champ de Feu, sondern wandern dem HexaTrek folgend zur Carrefour Rotlach. Dass es dort auch die Auberge de la Rotlach gibt, hatten wir gar nicht auf dem Plan. Also Einkehr: erst mal Blaubeerkuchen und dann ein Glas Wein!
Chemin des Bornes – Die HexaTrek-Route
Auf den letzten zwei Kilometern folgen wir zunächst dem GR 531 und wechseln dann auf den „Chemin des Bornes“. Auf den breiten Waldwegen geht sich’s nun dank des Weins wieder etwas beschwingter. Schließlich biegen wir nach rechts auf einen kleinen und recht unscheinbaren Pfad ab, der uns zum Rocher du Neuntelstein (972 m ü. NHN) führt.
In der Abendsonne genießen wir noch ein wenig den Blick ins Tal mit Hohwald vor uns und ganz links schon dem Odilienberg. Schließlich machen wir es uns in der Abri du Neuntelstein gemütlich und kochen noch eine Ramen-Suppe. Passt. Sogar Wasser gibt es unweit der Schutzhütte an der Quelle der Kirneck.
Burgen und Klöster – Wandern in den Mittelvogesen (HexaTrek)
Die Nacht ist kühl, aber trocken. Am Morgen genießen wir noch ein wenig den Sonnenaufgang und die unglaubliche Ruhe am Neuntelstein. Doch nach dem Frühstück geht es wieder los. Wir folgen weiter dem „Chemin des Bornes“, den in diesem Bereich auch der 3.000 Kilometer lange HexaTrek benutzt.
Die Route führt uns auf leicht begehbaren Waldwegen sanft bergab zum Château du Birkenfels (675 m ü. NHN), das um 1260 angeblich illegal erbaut wurde. Von strategischem Wert war sie kaum, und die Erbauer legten wohl auch mehr Wert auf Wohnlichkeit als auf Wehrhaftigkeit. Aber wen wundert’s? Bei der Aussicht!
Nach einer kurzen Rast führt uns der HexaTrek in nördlicher Richtung zum Château de Dreistein, das wir knapp eine Stunde später erreichen. Die Anlage besteht übrigens aus drei getrennten Burgen (Westburg, Mittelburg und Ostburg) und bietet ebenfalls einen herrlichen Blick auf die Vogesen. Von hier aus ist es nur noch ein guter Kilometer bis zum Odilienberg (764 m ü. NHN).
Mont Sainte-Odile – Kloster mit Aussicht
Das Sanctuaire du Mont Sainte-Odile auf dem „Heiligen Berg des Elsass“ ist ein weithin bekannter Wallfahrtsort und touristischer Anziehungspunkt. Seinen Namen verdankt das Kloster seiner Gründerin, der Heiligen Odilia. Die Schutzpatronin des Elsass wurde der Legende nach blind geboren und erlangte erst am Tag ihrer Taufe das Augenlicht.
Auch wer mit religiösen Heiligtümern nicht viel anfangen kann, sollte hier einen Zwischenstopp einlegen. Der Odilienberg bietet einen wirklich atemberaubenden Blick über die elsässische Ebene. Und für alle, die mehr Interesse zeigen: Das Herzstück des Klosters ist natürlich das Grab der heiligen Odilia. Wirklich einzigartig ist aber der Kreuzweg aus elsässischen Intarsien von Charles Spindler in der Klosterkirche.
Im großen Lindenhof der Klosteranlage befindet sich übrigens auch ein Restaurant. Hier beenden wir unseren Klosterbesuch, essen zu Mittag und gönnen uns ein kleines Craft Beer. Anschließend machen wir uns auf den Abstieg über den GR 5 und den Elsässer Burgenweg (Chemin des Châteaux forts d’Alsace), dem wir bis Andlau folgen wollen.
Unser Abstieg beginnt mit leichten Anstiegen. Wir wandern zunächst entlang eines farbenfrohen Kreuzweges mit in den Sandstein eingelassenen Keramiken. Dann geht es vorbei am Beckenfels zum Rocher du Canapé und weiter zum Aussichtspunkt Maennelstein. Ab hier geht es dann richtig bergab.
Kiosque Jadelot – Rastplatz mit Durchgang
In einem großen Bogen geht es vorbei am Rocher du Wachstein zum rustikalen Kiosque Jadelot. Der Weg durchquert hier sogar diese große Schutzhütte, die angeblich noch zur Kaiserzeit vom Förster Jadelot errichtet wurde. Knapp einen Kilometer weiter verlassen wir den GR 5, der von hier aus hinunter ins Zentrum des unterelsässischen Weinbaus nach Barr führt.
Wir hingegen wandern auf dem Elsässer Burgenweg zum nahegelegenen Château de Landsberg. Die um 1200 erbaute, von Gestrüpp überwucherte Abschnittsburg (Fronturmburg) besticht durch ihren schönen, romanischen Kapellenerker, der dem auf der Reichsburg Trifels ähneln soll.
Nun ist es nicht mehr weit bis ins stille Tal der Kirneck, an deren Quelle wir am Morgen gestartet sind. Hier schlagen wir unser Zelt auf dem Campingplatz Les Reflets du Mont Sainte-Odile auf. Schnell noch etwas essen und dann ist bei uns auch schon wieder „Hiker Midnight“. Gut’ Nacht!
Wildschweine und Weinhänge – Wandern in den Mittelvogesen (HexaTrek / GR 5)
Ganz so gut war die Nacht leider nicht. Irgendwie war da ein alter Azteken-Herrscher mit dem Mittagessen der heiligen Odilia nicht so ganz zufrieden. Jedenfalls hat mich Montezumas Rache doch einige Wachstunden gekostet. Leidlich ausgeschlafen geht es also weiter Richtung Andlau.
Gleich hinter dem Campingplatz nehmen wir einen Zuweg zum Elsässer Burgenweg und beginnen mit dem Aufstieg. Plötzlich springt aus dem Wald eine kleine Wildsau und umrundet uns in einem großen Bogen. Zu fasziniert vom Anblick des Frischlings denkt natürlich niemand daran, die Kamera zu zücken: Aber Erlebnisse ohne Instagram-taugliche Fotos haben ja auch ihren Reiz (die Älteren erinnern sich wahrscheinlich noch …).
Nach knapp zwei Kilometern erreichen wir das Château du Haut-Andlau. Die imposante Burg der Herren von Andlau diente einst als Verteidigungsanlage, verfiel aber nach dem Dreißigjährigen Krieg. Heute kümmert sich der Verein Les Amis du Château d’Andlau um den Erhalt der Anlage.
Andlau – Nothalt an der Weinstraße
Als wir die Weinhänge von Andlau erreichen, beginnt es wieder zu zwicken. Passt! Bis Andlau geht’s wohl!! Denkst’e, mitten in den Weinbergen, wo kräftig gelesen wird, meldet sich Montezuma wieder zu Wort. Und zwar heftig! Ganz ehrlich: So ein Desaster wünsche ich niemandem. Aber falls es euch doch mal trifft, habt ihr hoffentlich ein Wander-Bidet dabei, um euch zu reinigen!
Der erste Schock ist überwunden, es geht weiter nach Andlau. Die kleine Gemeinde ist bekannt für ihre malerische Landschaft und den Weinbau. Doch erst einmal suchen wir ein Frühstück (ja, Hunger hat’s trotzdem) und eine Unterkunft, denn weit kommen wir heute nicht mehr.
Schließlich finden wir nach dem Frühstück in der Boulangerie Rietsch Unterschlupf im Hôtel Le Kastelberg. Hier duschen wir erst einmal, waschen unsere Kleider und prüfen auch die restliche Ausrüstung. Am Nachmittag, als es uns schon etwas besser geht, entdeckt meine Liebste dann auch noch einen kleinen Lebensmittelladen im Ort. Jetzt passt’s!
Château de Bernstein – Ein idealer Rastplatz
Am nächsten Morgen geht es uns schon viel besser. Trotzdem sparen wir uns den steilen Weg über den GR 5 zum Aussichtsturm auf dem Ungersberg (901 m ü. NHN). Stattdessen folgen wir weiter dem Elsässer Burgenweg, der uns durch kleine Waldstücke und Weinhänge zunächst nach Bernardvillé und dann zum Rocher de L’Âne führt.
Im Tal der Neumatten treffen wir wieder auf den GR 5. Weiter geht es durch die Wälder bis zum Château de Bernstein am Fuße des Dachfirstes. Die Geschichte dieser auf einem Granitfelsen errichteten Burg reicht bis in das frühe 11. Jahrhundert zurück. Damit ist sie eine der ältesten Burganlagen im Elsass. Und: Ein idealer Rastplatz, zumal der über eine steile Eisentreppe begehbare Bergfried einen spektakulären Ausblick auf die Rheinebene bietet.
Château de l’Ortenbourg – Die belagerte Burg
Wir spielen noch ein wenig mit einer kleinen Eidechse, die sich partout nicht fotografieren lassen will, und wandern dann bergab zum Rastplatz an der Carrefour Krieghurst. Auf meist breiteren Wegen geht es weiter durch bewaldetes Gebiet zum Château de l’Ortenbourg, dessen imposanter Bergfried schon von weitem zu erkennen ist (auch im Titelbild zu sehen).
Die Festung wurde übrigens um 1260 erbaut und im Jahr 1293 von Otto von Ochsenstein belagert. Dieser errichtete rund 300 Meter weiter südwestlich dann auch gleich das inzwischen einsturzgefährdete Château de Ramstein als Belagerungsburg. So ein richtiges Gemetzel braucht eben auch seine Zeit.
Steil und in einigen Serpentinen geht es nun hinunter nach Val de Villé. Dann folgen wir dem Lauf der der langsam fließenden Giessen bis zum Ortsrand von Châtenois. Der Weg entlang der Hauptstraße zieht sich ein wenig, aber dafür wird das Winzerstädtchen mit jedem Schritt pittoresker.
Eigentlich wollten wir hier ja nur einkaufen und dann noch bis zur nächsten Schutzhütte aufsteigen. Doch als wir kurz vor der Kirche am Centre de la randonnée des Cercle Catholique Aloysia (CCA) vorbeikommen, entschließen wir uns kurzerhand doch für eine Nacht im Wanderheim und beenden wohlgebettet unsere Wanderung durch die Mittelvogesen.
Steckbrief: Grande Traversée des Vosges
Die Grande Traversée des Vosges, im Französischen auch Traversée du Massif des Vosges genannt, führt auf den Routen GR 53, GR 5 und Hexatrek von Wissembourg an der deutschen Grenze durch den Naturpark Nordvogesen und das Biosphärenreservat Südvogesen bis nach Belfort. Auf der rund 430 Kilometer langen Vogesenüberquerung begegnen dem Wanderer bizarre Sandsteinfelsen und imposante Ruinen wie die Burg Fleckenstein oder die Hohkönigsburg, das Soldatendenkmal am Hartmannswillerkopf und – rund um das Hohneck (1363 m ü. NHN) – mit etwas Glück auch auf Gämsen.
Auf seinem Weg über die höchsten Gipfel zwischen Pfälzerwald und Burgundischer Pforte präsentiert sich der Vogesenkammweg als Traumroute für Liebhaber ursprünglicher Mittelgebirgslandschaften. Der sportlich anspruchsvolle Fernwanderweg dauert je nach Kondition und Ausdauer rund drei Wochen. Wer die Vogesen in einem Stück durchqueren möchte, muss dabei mit teilweise durchaus anspruchsvollen Tagesetappen von 20 bis 25 km Länge und insgesamt 14.000 Höhenmetern rechnen. Wanderer, die mit Zelt und Schlafsack unterwegs sind, finden neben einigen Campingplätzen und preiswerten Chambres d’hôtes auch zahlreiche frei zugängliche Refuges (Schutzhütten) zur Übernachtung.
Karte, Etappen & Unterkünfte der Vosges centrales Wanderung
Unsere Wanderung durch die Mittelvogesen im Rahmen der Grande Traversée des Vosges war mit einigen Alternativrouten auf sechs Tagesetappen mit jeweils rund 20 km geplant. Aufgrund einer Erkrankung benötigten wir letztlich einen Tag mehr. Der Rother-Wanderführer zur Vogesen-Durchquerung sieht für die Strecke auf dem GR 53 / GR 5 acht Tage vor, was mehr Zeit für die Besichtigung der Sehenswürdigkeiten lässt. Letztendlich kann aber jeder Wanderer die Etappen nach seinen eigenen Vorlieben und seiner Kondition anpassen.
GR 53 / GR 5 Mittelvogesen
Profil
Etappe | Ziel | km | hm ▲ | hm ▼ |
---|---|---|---|---|
6 | Camping Les Huttes | 26,3 | 873 | 617 |
7 | Rocher du Mutzig (Biwak) | 16,2 | 1013 | 469 |
8 | Schirmeck / Rothau (Ferienwohnung) | 24,3 | 440 | 1071 |
9 | Abri du Neuntelstein | 12,3 | 723 | 111 |
10 | Camping Les Reflets du Mont Sainte-Odile | 17,4 | 413 | 1002 |
11 | Andlau (Hôtel Le Kastelberg) | 5,2 | 95 | 248 |
12 | Châtenois (Centre de Randonnée Hébergement Alsace Centrale) | 19,6 | 543 | 582 |
Fazit unserer Wanderung auf dem GR 53 / GR 5 durch die Mittelvogesen
Die Mittelvogesen bleiben uns mit ihrer gelungenen Mischung aus Natur und Kultur in guter Erinnerung. Fernab vom Alltag faszinierten uns besonders die zum Teil atemberaubenden Ausblicke – sei es vom Gipfel des Rocher de Mutzig, vom Klostergarten am Odilienberg oder von den zahlreichen Burgruinen.
Etwas Pech hatten wir mit dem Wetter, das uns die Besichtigung des imposanten Château du Haut-Barr und die herrliche Aussicht vom Donon vermiest hat. Aber dafür verzauberten uns später ja die malerischen Winzerdörfer bei strahlendem Sonnenschein mit ihrem Charme. Vielleicht hätten wir an der ein oder anderen Stelle doch noch einen weiteren Abstecher in die Rheinebene machen sollen …
Daten, Infos & GPX-Track zur Wanderung in den Mittelvogesen (GR 53 / GR 5)
- Start: Saverne (Deutsch: Zabern) im Unterelsass, nahe der schmalsten Stelle der Vogesen.
- Ziel: Châtenois (Deutsch: Kestenholz) im Unterelsass, direkt an der elsässischen Weinstraße.
- Gesamtstrecke: Rund 165 km.
- Höhenmeter: Das Höhenprofil dieser Nordvogesen-Wanderung ist je nach Quelle und gewählter Interpolation der Höhendaten sehr unterschiedlich. Im Mittel aller Angaben ergeben sich rund 5.900 Höhenmeter Auf- und 5.825 Höhenmeter im Abstieg.
- Niedrigster Punkt: Châtenois (190 m ü. NHN).
- Höchster Punkt: Champ du Feu (1099 m ü. NHN, höchster Berg der Mittelvogesen im Elsass).
- Markierung: Rotes Rechteck (durchgehend, obwohl der GR 5 sonst durch weiß-rote Balken markiert ist).
- Qualitätsauszeichnungen: „Leading Quality Trails – Best of Europe“ (2019) für die insgesamt 430 km lange Grande Traversée des Vosges.
- Wegbeschaffenheit: Überwiegend Naturwege und schmale Pfade, teilweise auch asphaltierte Straßen.
- Dauer: Je nach Kondition und Ausdauer meist 7 bis 8 Tage.
- Beste Reisezeit: Mai bis Oktober.
- An-/Abreise: Die An- und Abreise mit Auto, Bus oder Bahn erfolgt meist über Strasbourg oder Basel. Saverne ist mit der Bahn aus beiden Richtungen, Châtenois mit dem Bus von Sélestat (Bahnhof) aus erreichbar. Zu anderen Etappenorten verkehren regionale Busse.
- Wanderführer: Vogesen-Durchquerung, Thomas Striebig, Rother Bergverlag, ISBN 978-3-7633-4407-9 oder GR 5 – Traversée du Massif des Vosges, Topo Guide 502, FFRandonnée/FFRP.
- Wanderbroschüre: Kostenloser PDF-Download (französisch) auf massif-des-vosges.fr verfügbar.
- Wanderkarte: Die Karten des Club Vosgien im Maßstab 1:50.000 (Blatt 3 und 4), oder die Karte Traversée du massif des Vosges GR5 – GR53, IGN France, im Maßstab 1:100.000 (erhältlich bei Amazon).
- GPX-Daten: Kostenloser GPX-Download aller Etappen auf massif-des-vosges.fr verfügbar.
- Offizielle Website: vogesenmassiv.de und Club Vosgien.
Buchtipp
Vogesen-Durchquerung
von Thomas Striebig
ISBN 978-3-7633-4407-9
Der Rother Wanderführer „Vogesen-Durchquerung“ von Thomas Striebig ist der ideale Begleiter für eine Nord-Süd-Durchquerung der Vogesen. In 36 Etappen führt er auf den Fernwanderwegen GR 53, GR 5 und GR 531 von Wissembourg im Nord-Elsass bis nach Giromagny und Masevaux im Süden und zeigt dabei auch Wegvarianten auf. Der Autor, ein profunder Kenner der Vogesen, hat die einzelnen Etappen etwas gemütlicher zusammengestellt, so dass man in vier bis fünf Wochen das gesamte Gebirge von den sanften Nordvogesen über die urwüchsigen Mittelvogesen bis zu den schon alpin anmutenden Hochvogesen erkunden kann.
Thomas Striebig streift dabei alle landschaftlichen Höhepunkte wie den Odilienberg, den Grand Ballon als höchsten Vogesengipfel oder die malerischen Seen der Hochvogesen. Jede Etappe stellt er mit einer detaillierten Wegbeschreibung, einem Wanderkärtchen im Maßstab 1:110.000, einem aussagekräftigen Höhenprofil und Hinweisen zu Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeiten vor. Zusätzlich gibt es Informationen zu Sehenswürdigkeiten und geschichtlichen Hintergründen. Für die Tour selbst stehen auf der Website des Verlags auch GPS-Tracks zum kostenlosen Download bereit.
Linktipp
- Nordvogesen: Wandern auf dem GR 53 durch die Vosges du Nord
- Preisfalle: Aufpassen bei grenzüberschreitenden Bahnfahrten!