Schüler demonstrieren für mehr Klimaschutz, die Grünen träumen schon vom Kanzleramt und die Outdoor-Branche feiert die „Nachhaltigkeit“ als Business-Ziel. Auf der OutDoor By ISPO, Europas größter Outdoor-Messe, war das Thema allgegenwärtig.
Bio-Plastik aus nachwachsenden Rohstoffen, recycelte Produkte aus Ocean Waste, biologisch abbaubare Schlafsäcke und natürlich auch gemeinsames Müllsammeln bei Plogging-Events – der Blogger Walk auf der OutDoor By ISPO 2019 hatte ebenso wie die gesamte Messe ein zentrales Thema: Nachhaltigkeit.
Klar, Outdoor und Natur gehören ja untrennbar zusammen und Artikel aus alten Fischernetzen oder PET-Flaschen lassen sich natürlich auch besser vermarkten. Letztlich ist das doch nur das typische Marketing-Blabla und ein branchenübergreifendes Greenwashing dachte ich. Das mag beim ein oder anderen Anbieter auch zutreffen, doch viele Lösungen sind durchaus zukunftsweisend. Allerdings zeigten die Messegespräche auch: Von einer resourcenschonenden und umweltfreundlichen Kreislaufwirtschaft der Produkte sind wir noch meilenweit entfernt.
Nachhaltigkeit und Produkt-Recycling
Das Recycling von Kunststoffen funktioniert bei Getränkeflaschen schon ganz gut: in Deutschland werden rund 93,6 % der PET-Flaschen wiederverwertet. Der Grund: Mit dem Flaschenpfand hat Deutschland ein funktionierendes Rückführungssystem. Zudem sind PET-Flaschen – ebenso wie PE-, PP- oder PVC-Kunststoffe – durch ein Recycling-Symbol gekennzeichnet. Dadurch lässt sich auch erkennen, um welchen Kunststoff es sich handelt und wie dieser entsorgt werden sollte.
Viele „nachhaltige Outdoor-Produkte“ setzen allerdings auf andere recycelbare Kunststoffe, für die weder ein Rückführungssystem noch eine Kennzeichnung existiert. „Eigentlich bräuchten wir 300 oder 400 Recycling-Symbole, doch 30 oder 40 würden schon viel bringen“, glaubt Stefan Hunger von Bayonix. Noch sind derartige Kennzeichnungen und entsprechende Rückführungssysteme allerdings nicht in Sicht, und so versucht der Hersteller über den Fachhandel eigene Sammelstellen für seine biologisch abbaubare und recycelbare Sportflasche aufzubauen.
Meine Befürchtung: Müll ist lästig, den will man schnell und einfach entsorgen. Vielen ist selbst der Weg zum Altglas-Container zu weit, und ohne Pfandsystem hätten wir auch mehr PET-Flaschen im Hausmüll. Recycelbare Outdoor-Produkte wie eine 50 mal wiederverwertbare Sportflasche werden ohne ähnliche Pfandsysteme wahrscheinlich auch im Hausmüll und schließlich in der Müllverbrennung landen.
Nachhaltigkeit und kompostierbare Produkte
Der Blogger Walk zum Thema „Nachhaltigkeit“ machte auch am Stand der Schlafsack-Manufaktur Grüezi Bag Halt. Gründer Markus Wiesböck setzt nicht nur auf natürliche Rohstoffe wie Wolle und Daune sondern hat mit dem Grüezi Bag Biopod Survival inzwischen einen kompostierbaren Schlafsack aus Naturmaterialien entwickelt. Ein kompostierbarer Schlafsack? Kann ich den dann einfach in die braune Biotonne werfen?
Nein, selbst biologisch abbaubare Abfallsäcke („kompostierbare Biobeutel“) gehören nicht in die Biotonne! Der Abfallwirtschaftsbetrieb München erklärt das Problem so: Der Biomüll landet in einer Trockenfermentationsanlage, in der sich biologisch abbaubare Kunststoffe nicht schnell und fein genug zersetzen. Markus Wiesböck glaubt trotzdem an die Kompostierbarkeit seiner Schlafsäcke: „Die halten ja 10 oder 15 Jahre und bis dahin werden die Kompostieranlagen sicher auch biologisch abbaubare Kunststoffe verarbeiten“.
Meine Befürchtung: Die längeren Zersetzungszeiten der Biokunststoffe mögen technisch lösbar sein, doch was ist überhaupt aus biologisch abbaubaren Kunststoffe produziert worden und was nicht? Welches Produkt zersetzt sich komplett und welches lässt Mikroplastik zurück? Bislang fehlt auch hier eine einheitliche Kennzeichnung und Sortierung, doch ohne die wird der Verbraucher am Ende der Produktlebenszeit kaum wissen, ob und wie sein Produkt kompostierbar ist.
Mein Fazit: Plastik bleibt Plastik
Outdoor-Produkte bestehen zum Großteil aus Kunststoffen. Ob diese aus nachwachsenden Rohstoffen oder aus recyceltem Plastikmüll entstehen macht zunächst kaum einen Unterschied. Plastik bleibt Plastik und auch ein Fleece aus alten PET-Flaschen gibt Mikroplastik ab. Sicher, die Resourcenschonung ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber wirklich „nachhaltig“ ist dies noch lange nicht.
Don‘t buy this jacket – so bewarb Patagonia in der New York Times seine eigene Fleece-Jacke zum Black Friday, um auf den Konsumwahn im Vorweihnachtsgeschäft aufmerksam zu machen. Der Hersteller empfahl stattdessen: Reduce, Repair, Reuse! Und letztlich ist das – in Verbindung mit den aktuellen Bemühungen der Hersteller um die Resourcenschonung – noch immer die wirksamste Formel der Nachhaltigkeit:
- Reduce: Weniger Outdoor-Produkte kaufen, bedeutet weniger Plastikmüll produzieren. Verschiedene Shirts zum Joggen, Wandern oder Radeln? Eines tut‘s, alles andere ist Mode & Marketing! Weniger ist mehr: Statt lang- und kurzärmligen Shirts einfach Armlinge nutzen, den Quilt abends als Wärmejacke verwenden und auch auf längeren Touren nur zwei Unterhosen einpacken und einfach mal Waschen.
- Repair: Auch ich habe mir schon Hosen und Jacken ruiniert, weil ich über irgendeine Wurzel gestolpert und gestürzt bin. Löcher kann man flicken! Sieht bei mir zwar meist nicht toll aus, hat die Funktion aber nie eingeschränkt. Und beim Schlafsack war das Auffrischen der Daunen über das Outdoor Service Team nicht nur ökologisch sondern auch wirtschaftlich sinnvoller.
- Reuse: Erst Wiederverwenden, dann Wiederverwerten! Längst produzierte PET-Flaschen sind nicht nur günstiger sondern auch umweltfreundlicher als jede noch so nachhaltige Sportflasche. Aus leeren Getränkedosen lassen sich Dosenkocher bauen und wer Kleinstbehälter für Flüssigkeiten im Outdoor-Handel kauft, sollte lieber mal im Hausmüll nachschauen. Last but not least: Was spricht gegen einen Gebrauchtkauf?
Ich muss allerdings auch zugeben: Auf dem Blogger Walk zum Thema Nachhaltigkeit habe ich letztlich doch noch etwas entdeckt, das ich unbedingt mal ausprobieren möchte. Antje von Dewitz, Geschäftsführerin von Vaude, präsentierte unter anderem Fleece-Produkte, für deren innere, angeraute Seite der Hersteller seit der Winter-Kollektion 18/19 die Holz-Zellulosefaser TENCEL verwendet.
Sondert der Fleece beim Waschen kleinste TENCEL-Partikel ab, zersetzen sich diese – im Gegensatz zum Mikroplastik herkömmlicher Fleece-Produkte – rückstandsfrei binnen 90 Tagen. Schade nur, dass die glatte Außenseite des Fleece nach wie vor aus Polyester besteht. Aber das ist zumindest zu 100% recycelt …
Linktipp
- www.auf-den-berg.de – Ulrich Strelzing zur neuen OutDoor
- bergtouren-im-allgaeu.de – Björn Ahrndt zu Kletterzubehör
- hurra-draussen.de – Helmut Eder zu Camping-Zubehör
„Ob diese aus nachwachsenden Rohstoffen oder aus recyceltem Plastikmüll entstehen macht zunächst kaum einen Unterschied. Plastik bleibt Plastik“
Das ist nicht nur falsch, sondern wiederspricht auch dem letzten Absatz. Zum einen weil Plastik eine falsche Übersetzung von „Plastic“ ist und Kunststoff heißen muss und zum anderen weil nachwachsende Rohstoffe eben keine Kunststoffe sind, sondern sich je nach Produkt „rückstandsfrei binnen 90 Tagen“ zersetzen.
Entweder meint man Kunststoffe, oder man mein aufbereitete Naturmaterialien. Und es ist durchaus ein Unterschied von welchem Abrieb in die Umwelt gelangt.
Hallo Titus,
besten Dank für deinen Kommentar. Kunststoffe aus recyceltem Material sorgen ebenso für weiteren Plastik-Müll und Mikroplastik wie Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen. Es handelt sich dabei nicht um Naturmaterialien. Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen sind übrigens auch nicht immer biologisch abbaubar und selbst der Begriff „biologisch abbaubar“ garantiert keine rückstandsfreie Zersetzung. Den Fleece aus Tencel (Lyocell) habe ich ja gerade deshalb erwähnt, weil dessen Mikrofasern sich sogar im Meerwasser in kurzer Zeit zersetzen.
LG Stefan