Europaweit reisen mit der Bahn – hört sich klasse an, ist aber ein Desaster. Viele Verbindungen sind über die Deutsche Bahn gar nicht buchbar und selbst auf gängigen Routen droht mit der Grenzüberschreitung die Preisfalle. In unserem Fall sollten fünf Minuten Bahnfahrt mit einem deutschen Bummelzug durch Frankreich satte 72,85 Euro Mehrpreis kosten.
Ja, die Deutsche Bahn ist manchmal einfach der Prügelknabe. Nur noch 58 Prozent der Fernzüge erreichen pünktlich ihr Ziel, im Regionalverkehr herrscht Chaos wegen des 9-Euro-Tickets und auch im Nahverkehr haben Pendler mit Störungen, Verspätungen und Zugausfällen zu kämpfen. Wen wundert es da, dass in den sozialen Medien kräftig über die Bahn gelästert wird: „Wenn man das Logo der Deutschen Bahn auf den Kopf stellt, sieht man den Kunden …“
Aber: Wir lieben die Bahn! Mit der Bahncard 25 im Rucksack reisen wir bei fast all unseren Wanderungen per Bahn an. Warum? Nachhaltigkeit ist dabei nicht einmal der Hauptgrund. Bei Streckenwanderungen macht es einfach keinen Sinn, das Auto am Startort abzustellen und dann wieder vom Zielort zum Auto zu fahren. Und: Bahnfahren macht – in der Regel – weniger Stress. Einfach reinsetzen und der Urlaub beginnt! Das gilt zumindest für Fahrten in Deutschland. Bei grenzüberschreitenden Bahnreisen kann der Spaß allerdings schon bei der Buchung aufhören.
5 Minuten Bahnfahrt für satte 72,85 Euro
Wir wollen nach Frankreich. Auf den Fernwanderwegen GR53 und GR5 ist für den Herbst eine Vogesenüberquerung geplant, die uns von Wissembourg bis Mulhouse oder Belfort führen soll. Noch vor dem Frühstück soll’s losgehen, schließlich ist der Startort Wissembourg von München aus in rund fünf Stunden erreicht und so können wir am Anreisetag auch gleich loswandern. Um ein halbwegs günstiges Ticket zu bekommen, versuchen wir natürlich möglichst frühzeitig über die Deutsche Bahn zu buchen.
Eine passende Verbindung ist schnell gefunden: Von München geht es per TGV nach Karlsruhe, und dann mit den Regionalbahnen RB51 und RB53 über Winden (Pfalz) nach Wissembourg. Der Preis für zwei Personen mit Bahncard: 119,15 Euro. Das klingt nicht übel, kommt uns aber doch etwas teuer vor. Schließlich haben wir auf unserer Murgleiter-Tour für die Fahrt bis Karlsruhe weit weniger gezahlt. Wir machen eine Gegenprobe, und siehe da: Auch dieses Mal könnten wir für schlappe 35,80 Euro bis Karlsruhe fahren. Wow, vergleicht man die beiden Preise, dann würde uns die nicht einmal eine Stunde dauernde Fahrt von Karlsruhe bis Wissembourg satte 83,35 Euro kosten!
Es kommt aber noch besser: Wir geben nun Schweighofen, den letzten Ort der Bahnstrecke Neustadt–Wissembourg vor der deutsch-französischen Grenze, als Ziel an. Der Preis: 46,30 Euro, während die Fahrt bis Wissembourg 119,15 Euro kosten würde. Die Deutsche Bahn berechnet für die fünf Minuten länger dauernde, grenzüberschreitende Fahrt also einen Mehrpreis von 72,85 Euro!
Dass selbst 46,30 Euro noch zu viel Geld sind, erfahren wir durch eine weitere Abfrage. Für die Strecke von Karlsruhe bis Wissembourg verweist uns die DB Reiseauskunft nun auf ein Angebot des Karlsruher Verkehrsverbund KVV. Demnach benötigen wir eine Einzelfahrkarte für „6 Waben“ und die kostet gerade einmal 6,60 Euro. Der Clou: Der KVV gewährt auf Einzelfahrkarten sogar eine Bahncard-Ermäßigung, so dass uns das Ticket nur 5 Euro kostet.
Die KVV-Tickets kann man – normalerweise – ebenfalls über das Buchungssystem der Deutschen Bahn erwerben. Uns ist das bislang aber noch nicht gelungen. Nun haben wir erst einmal den TGV bis Karlsruhe gebucht und werden uns dann vor Ort zwei KVV-Einzelfahrten kaufen. Die Fahrt kostet dann gerade einmal 45,80 statt 119,15 Euro.
Fazit
Unsere Buchung war – abgesehen vom überhöhten Reisepreis – noch ein erfreulicher Einzelfall. Denn: Meist findet die DB Reiseauskunft bei grenzüberschreitenden Fahrten zwar allerlei Verbindungen, doch statt einer Preisanzeige erscheint oft nur der Hinweis „Der Preis wird im nächsten Schritt ermittelt“. Klingt klasse, da klicken wir drauf und landen auf einer Buchungsseite für internationale Bahnreisen. Die verrät uns dann bei der Planung unserer Rückreise, dass eine Preisauskunft (oder gar Buchung) gar nicht möglich ist. Wie peinlich ist das denn?
Die Geburtsstunde der Europäischen Union liegt mehr als 70 Jahre zurück und wir scheitern immer noch an der Buchung grenzüberschreitender Bahnreisen? Eurobananen und die Gurkenkrümmungsverordnung waren wohl wichtiger. Wie lässt es sich sonst erklären, dass die Europäische Kommission erst jetzt einen Aktionsplan aufstellt, um den „grenzüberschreitenden Schienenfernverkehr für eine weitaus größere Anzahl europäischer Fahrgäste attraktiver zu machen …“. Zeit wird’s! Aber ob wir das noch erleben?
Bitte nicht das europafeindliche Gerücht der Regulierung von Maßen bei Obst und Früchten weiter verbreiten.
Hi Titus, ein Gerücht sind die genannten Regulierungen nicht. Aber inzwischen sind die Verordnungen für Bananen und Gurken wieder außer Kraft getreten.
Habe hier in Freiburg von französischen Kumpels gehört, dass sie über die SNCF buchen. Vielleicht ist das auch günstiger.
Mir wurde auch gesagt, dass die auch bessere Entschädigungsregelungen hätten, konkret: Entschädigung ab 40 min Verspätung (statt ab einer Stunde bei der DB).
Danke für den Tipp mit den Waben. Man muss übrigens nicht zwingend vor Ort in Karlsruhe kaufen. Wenn man die Verbindung in der Bahn App sucht und unten auf ‚Zur Angebotsauswahl‘ geht, kommt man bei mir (Stand heute) auf Angebote des KVV, unter anderem auch auf die ‚Einzelfahrkarte Erwachsene Bahncard‘ für 5 Euro. Aber vielleicht ging das ja am 15.7.22 noch nicht.
Ja, bis zur Angebotsauswahl der KVV-Ticket haben wir es damals auch geschafft – nur buchen konnten wir nicht. Aber vielleicht geht das auch nicht für mehrere Tage im voraus. BTW: Mit dem Deutschland-Ticket kommst Du übrigens inzwischen sogar kostenlos bis Wissembourg: KVV-Deutschlandticket
So ging es mir, als ich letztes Jahr mit dem Fahrrad nach Straßburg gefahren bin. Die Heimfahrt von Straßburg hätte viel viel mehr gekostet als die Rückfahrt mit dem BW-Ticket von Kehl (der selbe Zug), also bin ich zurück wieder mit dem Rad über die Grenze nach Kehl. Dafür kam ich mit dem ersten Zug gar nicht mit, weil er schon von Straßburg aus überfüllt ankam…