Wandern in München? Das klingt für eingefleischte Fernwanderer ziemlich absurd. Doch diese ausgiebige Stadtwanderung im erstaunlich grünen Münchner Westen hat uns außerordentlich gut gefallen: Zwei Schlösser, eine Street Art Gallery und die Spurensuche auf dem Westfriedhof sorgen für jede Menge Abwechslung.
Wandern in München, statt Trekking und Fernwandern – der Coronavirus hat unsere Tourenplanung in diesem Jahr ganz gewaltig durcheinandergewirbelt. Eine Tour nach der anderen wird storniert, da wir nur noch mit triftigem Grund oder zum „Sporteln“ das Haus verlassen dürfen. Touristische Übernachtungen sind untersagt und ins Alpenvorland sollen wir laut DAV und Bergwacht auch nicht. Raus wollen wir trotzdem!
Doch ist naturnahes Stadtwandern in München überhaupt möglich? Unsere Landeshauptstadt hat mit dem englischen Garten zwar einen der weltweit größten Parks. Pro Person gerechnet gibt es in München aber gerade einmal gut 8,5 m² Wald (insgesamt 1350 ha bei 1561720 Einwohnern) und rund 4,5 m² an Naturschutzgebieten (insgesamt 714 ha). Das entspricht gerade einmal einem PKW-Parkplatz.
Um es kurz zu machen: Ja, Wandern in München lässt sich durchaus naturnah gestalten – und das sogar abseits der Isar und des Englischen Gartens. Unsere 22 km lange Wanderung im Münchner Westen haben wir allerdings ebenso genau geplant wie eine große Fernwanderung. Denn nur wer sämtliche Stadtparks, Kleingartenanlagen und Friedhöfe einplant, kommt grün und halbwegs ruhig durch die Stadt.
Tipp: Der Routenplaner von Openrouteservice eignet sich auch für Fußgänger. Fürs Wandern in München oder anderen Städten lassen sich die hier berechneten Routen sogar als GPX-Datei für die Navigation am Smartphone herunterladen. Zudem könnt ihr unter „Weitere Einstellungen“ auch „Grünflächen“ und „Ruhige Wege“ bevorzugen.
Über den Königlichen Hirschgarten in den Nymphenburger Schlosspark
Für unsere erste Wanderung durch München haben wir uns den Karsamstag ausgesucht, da am Osterwochenende in den Parks deutlich mehr los sein dürfte. Wir stolpern einfach aus der Haustür, starten mitten in Neuhausen und durchqueren zunächst den Hirschgarten von Ost nach West.
Wir folgen nicht der asphaltierten Fahrradhauptroute, sondern wandern etwas nördlicher auf naturnahen Wegen zum komplett leeren Biergarten. Am Wildgehege vorbei gelangen wir zur Winfriedstraße. Nun geht es rund 600 Meter auf dem Gehweg zur Südspitze des Schlossparks Nymphenburg, wo uns auch gleich ein Eichelhäher (Garrulus glandarius) begrüßt.


Unsere erste Station in diesem 229 Hektar großen Park ist das Jagdschlösschen Amalienburg, ein Geschenk von Kurfürst Karl Albrecht an seine Frau Amalie. Da eine Besichtigung des Rokoko-Traums heute nicht möglich ist, geht es am Südlichen Kanal und dem ältesten Pumpwerk Nymphenburgs im Grünen Brunnhaus vorbei weiter zur Badenburg.
Wie alle Parkburgen ist heute natürlich auch die Badenburg geschlossen. Einen Blick in den prunkvollen Badesaal gibt es also nicht. Auch Kauz Kasimir (Strix aluco), der direkt nebenan bei der Brücke am Südlichen Kanal sein Zuhause haben soll, will sich nicht zeigen. Also geht es weiter.
Wir spazieren gegen den Uhrzeigersinn um den Badenburger See. Dabei kommen wir zunächst an der Skulptur des Ruhenden Pan vorbei, wo das Wasser des Sees über einen kleinen Bach abfließt. Das folgende Wegstück schmücken zu Ostern zahlreiche Schlüsselblumen (Primula elatior).
Kurz vor dem Apollotempel machen wir noch einen Abstecher ans Seeufer. Auf der gegenüberliegenden Inseln beobachten wir Graureiher (Ardea cinerea), die bereits ihr Nest beziehen. Und um uns herum tummeln sich Graugänse (Anser anser) und Kanadagänse (Branta canadensis).
Wir beobachten noch ein wenig die Rangeleien um die besten Brutplätze und dann geht es auch schon wieder los. Vom Apollotempel aus laufen wir in südlicher Richtung weiter. Am Schwarzen Tor verlassen wir den Nymphenburger Schlosspark und folgen der Parkmauer gen Westen.
Durch die Street Art Gallery zum Schloss Blutenburg in Obermenzing
Das nächste Ziel liegt im Stadtbezirk Pasing-Obermenzing, den wir durch die S-Bahn-Unterführung an der Bärmannstraße erreichen. Die Unterführung ist ein echtes Schmuckstück. Die Graffitis der kleinen Street Art Gallery bringen sogar noch ein wenig (Sub-) Kultur in unsere Wanderung. Gar nicht übel – schließlich sind ja auch alle Museen geschlossen.


Grün geht es am Nymphenburger Kanal weiter. Für Wanderer und Spaziergänger ist das linke Ufer die bessere Wahl – hier ist der Untergrund weicher und auf der anderen Seite sind deutlich mehr Radfahrer unterwegs. Gut einen Kilometer laufen wir nun mehr oder weniger geradeaus.
Die hier und da ausgehängten „Corona-Wanderregeln“ beachtend, folgen wir dem Kanal, bis dieser Richtung Pasing abzweigt. An der Grandlstraße wechseln wir die Uferseite und folgen der Westerholzstraße bis an die Würm. Dort lohnt sich ein kleiner Abstecher zur Filialkirche St. Wolfgang, der letzten vollständig erhaltenen gotischen Dorfkirche Münchens.


Entlang der Würm wandern wir nun durch die Pippinger Au Richtung Norden. Am Cruceiro Galega, einem spanischen Steinkreuz, erhaschen wir dann die ersten Blicke auf das ehemalige Jagdschloss Blutenburg. Der Weg hat sich gelohnt: Von Osten aus sieht das Schloss mit seinem Wassergraben wirklich wunderbar aus.
Das Schloss, in dem sich die Internationale Jugendbibliothek mit dem Michael-Ende-Museum und einem James-Krüss-Turm befindet, ist leider komplett geschlossen. Schade, so können wir nicht einmal einen Blick in den Schlosskapelle oder den Innenhof werfen. Aber zumindest hat die Schlossschänke Blutenburg einen Notbetrieb eingerichtet, und so gibt es hier erst mal ein leckeres Eis.


Anschließend machen wir noch einen kleinen Spaziergang zum Carlhäusl, einem Tagelöhnerhaus aus dem Jahr 1726, das der Trachtenverein Menzing in Eigenleistung renoviert hat. Und natürlich verweilen wir auch ein wenig am Agnes Bernauer Denkmal (siehe Titelbild) sowie am Denkmal zum Todesmarsch der KZ-Häftlinge aus Dachau.
Wandern in München: Karte und Wegpunkte zur Zwei-Schlösser-Tour
Unsere Rundwanderung ist insgesamt 22 Kilometer lang. Wer hier und da noch mal einen Abstecher macht, sollte entsprechend mehr einplanen. Und für alle Spaziergänger, die nicht ganz so lang unterwegs sein wollen: Entlang der Route finden sich zahlreiche Haltestellen des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds, so dass sich diese Rundwanderung auch leicht auf zwei Tage verteilen lässt.
Zwei-Schlösser-Tour München
Profil
Am Durchblick entlang zur Nymphenburger Kaskade und ins Kapuzinerhölzl
Nun geht’s durch den „Durchblick“. Der Name dieses Parks erinnert an die ehemalige Blickachse zwischen Schloss Nymphenburg und Schloss Blutenburg. Ha-Ha oder traditionell auch Aha wird solch ein Gestaltungsmittel der Gartenkunst genannt. Uns bleibt der Durchblick allerdings verwehrt, denn durch den Bau der Bahntrasse und weiterer Wohnhäuser ist die alte Sichtachse längst versperrt.
Wir halten uns rechts, um den Radlern aus dem Weg zu gehen, und gelangen schließlich wieder zur S-Bahn-Unterführung. Hinter dem Tunnel geht es links weiter zum Nymphenburger Kanal. Durch das Pasinger Tor spazieren wir dann wieder in den Nymphenburger Schlosspark und wenig später zur Großen Kaskade.


Wir werfen einen Blick auf das Nymphenburger Schloss und wandern weiter zur Pagodenburg. Nach einer kurzen Pause entdecken wir – zugegebenermaßen mit Hilfe eines Naturfotografen – mehrere Erdkröten (Bufo bufo) an den Wasserläufen rund um die Parkburg.
Wir sammeln noch jede Menge Tipps für Tierbeobachtungen im Schlosspark und laufen dann durch den schattigen Mischwald im Pagodenburger Tal. Kurz hinter dem Kugelweiher erreichen wir das älteste Tor des Schlossparks. Und schließlich gelangen wir durch das Hartmannshofer Tor ins Kapuzinerhölzl und den Stadtbezirk Moosach.
Das Kapuzinerhölzl, ein Überbleibsel des Lohwaldes im Münchner Nordwesten, soll im Dreißigjährigen Krieg übrigens Schauplatz einer der letzten Schlachten gewesen sein. Wir laufen mehr oder weniger schnurstracks geradeaus durch das Wirrwarr der kleinen Waldwege. Anschließend nutzen wir einen Grünstreifen zwischen dem Klinikum Dritter Orden und dem Sportplatz des PSV München, um nach Nederling zu gelangen.
Zur Röth-Linde und Promi-Gräbern auf dem Münchner Westfriedhof
An der stark befahrenen Kreuzung Nederlinger Straße / Wintrichring flüchten wir in eine Kleingartenanlage. Ohne Straßenlärm geht es nun am Biergarten der Gaststätte NW12-Nederling vorbei zur Röth-Linde. Die mächtige Winterlinde ist angeblich der älteste Baum Münchens und eine Infotafel am mehr als sechs Meter Umfang messenden Stamm erinnert an der Namensgeber, den Gerner Landschaftsmaler Philipp Röth.
Entlang der Nederlinger Straße sind es nun nur noch rund 200 Meter bis zum Tor Nederling des Münchner Westfriedhofs. Auf unserem Weg zur Aussegnungshalle spazieren wir unter anderem an mehreren Promi-Gräbern vorbei. Unweit des Denkmal der Bayrischen Polizei machen wir beispielsweise Halt am Grab der Sängerin Alexandra (Grab 101-A-81).


„Mein Freund, der Baum …“ summend geht es weiter zu Schauspieler Maxl Graf (Grab 200-A-14), Fernsehmoderator Robert Lemke (Grab 26-11-11) und Sportreporter Eberhard Stanjek (Grab 7-11-35). Nahe der Aussegnungshalle fand schließlich Bernhard Borst (Grab 2-2-2) seine letzte Ruhestätte. In den Zwanzigerjahren realisierte der Architekt und Bauunternehmer in der nahe gelegenen und heute noch sehr sehenswerten Borstei seine Ideen einer besseren Wohn- und Baukultur.
Zum Abschluss unserer Friedhofsrunde schlendern wir durch den ältesten Teil der Anlage zum „Gesellengrab“. Grab 51-1 erinnert an 22 Burschen des Gesellenvereins St. Joseph. Die Jungs hatten im Mai 1919 nach einem Zechgelage die Ausgangssperre nicht beachtet und wurden von einem Berliner Regiment erschossen, das sie für Spartakisten hielt.



Wir haben zwar keine Ausgangssperre, sondern nur Ausgangsbeschränkungen, aber trotzdem wird es Zeit, den Rückweg anzutreten. Am Lenbachtor besichtigen wir noch die renovierte Gruft des Malers Franz von Lenbach (Grab M-li-81) und dann geht es weiter durch den Hexengarten.
Der Biergarten der Kleingartenanlage hat komplett geschlossen, und so laufen wir zügig weiter zur Nördlichen Auffahrtsallee. Am Hubertusbrunnen, der früher einmal vor dem Bayerischen Nationalmuseum an der Prinzregentenstraße stand, genießen wir noch einmal den Blick über den Nymphenburger Kanal zum Schloss.
Schließlich gelangen wir durch den Grünwaldpark wieder ins Zentrum von Neuhausen. Unsere letzte Station auf dem Heimweg ist der kleine, idyllische Winthirfriedhof. Wer hier begraben wird, muss übrigens mindestens 30 Jahre in einem von fünf Neuhauser Stadtbezirksvierteln gelebt haben. Und natürlich fand auch hier eine wichtige Münchner Persönlichkeit seine letzte Ruhestätte: Oskar von Miller, der Gründer des Deutschen Museums (Grab direkt an der Kirche).
Fazit: Obwohl wir schon mehr als 15 Jahre in Neuhausen leben, hätten wir nie gedacht, dass das Wandern in München – und vor allem ein derart ausgiebiger „Spaziergang“ – so naturnah sein kann. Es hat Spaß gemacht, endlich mal wieder etwas Auslauf zu haben. Und: Wir werden diese Stadtwanderung sicher noch einmal in „Nach-Corona-Zeiten“ wiederholen.



Kleines Update: Zwei Wochen später waren wir noch einmal im Nymphenburger Schlosspark und die Kanadagänse präsentierten bereits stolz ihren Nachwuchs – einfach goldig …
Buchtipp

Das Beste in München: Parks, Gärten und grüne Oasen
von Jakob Kachelmann
ISBN 978-3-7633-4270-9
Um ehrlich zu sein: Wir haben ein anderes, inzwischen leider vergriffenes Buch von Jakob Kachelmann in unserem Fundus. Grün in München beschreibt auf mehr als 200 Seiten Grünflächen innerhalb der Münchner Stadtgrenzen. Und dabei lässt der Autor wirklich kein Fleckchen Grün aus: Er befasst sich nicht nur mit klassischen Grünanlagen, sondern auch mit Gärten, Parks, Spielplätzen, Friedhöfen und den schönsten Isarabschnitten. Das Buch ist nach Stadtteilen gegliedert und enthält selbstverständlich auch Angaben zur Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Aus unserer Sicht ist dieses Buch ein echter Tipp für den nächsten Besuch im Antiquariat.
Parks, Gärten und grüne Oasen ist mit 128 Seiten natürlich nicht ganz so umfangreich, widmet sich dafür aber ausdrücklich dem Flanieren, Entdecken und Erleben. Natürlich ist dies kein Wanderführer im klassischen Sinn, doch wer auf seinen Stadtwanderungen kunstvolle Gärten sehen will, tolle Ausblicke über die Stadt genießen und die Seele baumeln lassen möchte, der findet hier mit Sicherheit jede Menge Anregungen abseits der gewohnten Pfade.
Linktipps zum Wandern in München
- KulturGeschichtsPfade – Rundgänge entlang historischer Orte
- München Trail – 113 Kilometer langer City Trail
- hurra-draussen.de – Blog mit Wanderungen in und um München
Kennen wir recht gut! Wirklich schön zu wandern und dabei auch viel zu erleben. Sehr guter Tipp!
Viele Grüße,
Helmut von Hurra, draussen.de!
Denk ich mir – Ihr seid ja ständig in und um München unterwegs …
LG Stefan